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9. WIR ARBEITEN MINIMAL-INVASIV

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Einige Lehren aus der Praxis gruppendynamischer Organisationsberatung.

9. WIR ARBEITEN MINIMAL-INVASIV
Die Geschäftsführerin weiß, dass ihre Organisation bei sechzig Mitarbeitenden mehr Führungskräfte braucht als sie allein. Ein Vorstand erkennt, dass die Abteilungen sich gegeneinander abschliessen und mehr Kontakt benötigen. Zwei Beispiele für viele. In der Regel haben erfahrene Menschen an der Spitze einen Riecher für das, was zu tun ist. Warum holen sie uns Berater*innen dann? Weil sie wissen, dass außer ihnen vielleicht kaum jemand so denkt. Und weil sie ahnen, dass sie nicht sicher sein können, die Situation richtig einzuschätzen. Sie brauchen eine Gruppe, die ihre Ziele teilt, mit ihnen forscht und ihre Perspektive mutiger hinterfragt, als es im Unternehmen jemand wagen würde.

Schwache Leitungen wünschen sich dann eine Unterstützung, die ihnen alle Sorgen nimmt. Die Berater*innen sollen die Perspektive der Leitung psychologisch-kommunikativ durchboxen oder sonstwie ins System hinein manipulieren. Starke Leitungen verstehen, dass das nicht geht. Das ist die Basis der Zusammenarbeit.

Organisationsdynamik ist komplex. Schon sich selbst organisierende Gruppen und Teams sind komplexe adaptive Systeme. Sie bestehen aus Beziehungen, in denen interagiert und wahrgenommen wird. Beides beeinflusst maßgeblich das zukünftige adaptive Verhalten der Gruppenmitglieder. Dadurch entstehen Rückkopplungseffekte, deren Folgen grundsätzlich nicht mehr prognostizierbar sind. Es entsteht Emergenz, also eine gewisse Mischung aus Überraschung und Stabilität in der Selbstorganisation der Gruppe. Gruppen sind dadurch nicht nur kompliziert, also prinzipiell vorhersehbar, wenn man nur den vollständigen Überblick über Verhalten und Motive der Menschen in einem Moment X hätte. Sie sind komplex, weil jedes Tun die Verhaltensgrundlage der Akteure und Beobachter verändern kann und entsprechende neue, nicht prognostizierbare Veränderungen im Beziehungsgefüge auslöst.

Wenn sich Gruppen- und Organisationsdynamik prinzipiell nicht sicher prognostizieren lässt, gibt es keinen Grund für Beratende, das ganz große Rad zu drehen (außer Mehrverdienst auf Kosten der Kundschaft). Es mag für die Leitung vielleicht nötig sein, basale Strukturen zu verändern oder die Strategie anzupassen. Gruppendynamische Berater*innen begleiten jede Veränderung minimal-invasiv. Überschaubare Untersuchungen, Versuche, Reflexionsorte, Feedback-Gelegenheiten zwischen Anspruchsgruppen, Dialoge auf verschiedenen formalen Ebenen der Organisation… Wir regen das Nachdenken im sozialen System über sich selbst an, Selbst-Veränderung. Dazu braucht es nicht viel. Die richtigen Themen schenken uns Widerstände und Konflikte. Der Rest ist Handwerk, Arbeit an Designs und im Staff und mit der Leitung. Solide Beziehungsarbeit eben.

ES KOMMT (AUCH) AUF DIE BEZIEHUNGEN AN. TEASER ZUM FACHARTIKEL AUTORITÄT UND TEAMREIFE

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Führungskräfte im Training sagen manchmal: „Beziehung? Hab ich mit meinem Mann und Freundinnen, aber in der Arbeit?“ Was mit der Rückfrage abgewehrt wird, ist die Bedeutung, die Gefühle für Kooperation haben. „In Beziehung gehen“, „in Kontakt sein“, „Resonanz empfinden“ etc., mit solchen Formulierungen ist ein Geschehen zwischen Menschen gemeint, das man spüren kann, aber nicht 1:1 kommunizieren. Es spielt sich zwischen den Körpern der Menschen viel ab, was ihr Handeln beeinflusst. Es gibt reges soziales Leben außerhalb sprachlicher Kommunikation. Kommunikation begehrt nichts. Menschen dagegen ständig. Und sie spüren es und reagieren alle darauf. Da ist so viel Ausdruck zwischen Menschen ohne irgendeine Darstellung von etwas als dem bloßen Gefühl und der Beziehung im Hier und Jetzt. So viel bedeutsame Mitteilung mit so wenig klar codierter Information! (Der hartnäckige Impuls, die soziologische Relevanz dieser Beziehungsdynamik zu leugnen, hat Luhmann ein üppiges, steriles Lebenswerk beschert.😉)

Nimmt man das Beziehungsgeschehen in Teams ernst, kann man Interaktionen erkennen, die eine Brücke schlagen von demokratie-politischen, gesellschaftlichen Zielen zu den mikropolitischen Welten in der Arbeit. Hier sehe ich den wertvollsten Beitrag der Gruppendynamik als Forschungsfeld und Format der Erwachsenenbildung: Grundlagen der Demokratie zu fördern und das Arbeitsleben menschenfreundlicher zu gestalten.

📖 Deshalb habe ich zu diesen Themen einmal meine Gedanken sortiert und in „Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für angewandte Organisationspsychologie“ veröffentlicht.

Mein Text vertritt drei Thesen:
1. In Teams läuft immer eine Gruppendynamik mit. Entweder leiden sie im Team darunter oder sie ist der Kooperation förderlich. Weil manche in der Organisationssoziologie diese Beobachtung ausblenden (Kühl z. B.), wird mit „Gruppendynamik“ meist nur unnötiger Stress assoziiert. Das ist schade und verschenkt eine Chance: nämlich den förderlichen Einfluss der Gruppendynamik auf die Kooperationsfähigkeit eines Teams zu beschreiben.
2. Förderliche Gruppendynamik erkennt man am Umgang mit Autorität im Team. Da lassen sich drei unterschiedliche Muster in Gruppen erkennen (abhängige Bindung, ablehnende Bindung, differenzierte Bindung). Reife Teams können ihre Autoritätsmuster situationsangemessen wechseln. Der Einfluss der Autorität auf die Leistungsfähigkeit von Teams wird auch in neueren Studien belegt.
3. Teams, die das können, sind mikropolitisch betrachtet demokratische Teams. Sie haben sogar positive makropolitische Effekte, weil die Erfahrung, in der Arbeit gehört zu werden, rechtsextreme, autoritäre Einstellungen unwahrscheinlicher macht.

👉Ganzen Artikel gerne hier holen!

Hier geht´s zu meine Veröffentlichungen

8. KANN MAN TRAINIEREN, WAS TEAMS INTELLIGENT MACHT?

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Einige Lehren aus der Praxis gruppendynamischer Organisationsberatung.

8. KANN MAN TRAINIEREN, WAS TEAMS INTELLIGENT MACHT?

Nein und Ja.

Die Intelligenz von Menschen gilt als messbar. Für Gruppen haben Forscher*innen Vergleichbares behauptet (Link im Kommentar). Es waren in den untersuchten Gruppen drei Faktoren hilfreich, um zielorientierte Aufgabentypen gemeinsamen zu meistern:

-> die durchschnittliche Fähigkeit der Gruppenmitglieder zur Empathie.
Wie kommt das? Menschen, die sich an die Stelle anderer versetzen können, sind eher in der Lage, deren Ideen und Motive zu erfassen. Sie können in Konflikten die Interessen und Gefühle der Gegenpartei besser nachvollziehen. Damit sind sie auch eher in der Lage, der richtigen Person Autorität zu schenken und sich einer guten Idee anzuschließen. Sie verhalten sich sozial kompetenter, was den nächsten Faktor günstig beeinflusst:

-> Die Anzahl der Interaktionen zwischen den Gruppenmitgliedern.
Hier ging es nur um die Menge der Bezugnahmen untereinander, nicht um ihre Form oder ihren Inhalt. In Gruppen, die lebendig im Austausch sind, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass alle gehört werden. Gibt es empathische Menschen in der Gruppe, wird auch mal eine nach ihrer Meinung gefragt, die lange nichts gesagt hat. Die Fülle der Perspektiven nimmt zu.

-> Die Anzahl der Frauen. Tatsächlich nimmt die Intelligenz in einer Gruppe mit dem Frauenanteil zu - bis zu einem Maximum von 80% Frauenanteil. Das könnte man auf die beiden anderen Faktoren beziehen: Einfühlungsvermögen wird in der Erziehung von Mädchen eher belohnt als Durchsetzungswille. Frauen tun sich leichter damit, einfach mal in Kontakt zu gehen, wenn jemand schweigt oder seltsames Zeug redet. Sie sind oft sozial kompetenter. Narzisstische Menschen allerlei Geschlechts senken übrigens die Gruppenintelligenz, weil sie zu Selbstdarstellung und Dominanz neigen und Andere eher zu Gefolgsleuten oder einfach still machen.

Fazit: Ein Team, das unklare oder bekloppte Aufgaben hat oder sonstwie von der Organisation vernachlässigt wird, wird nicht intelligent sein. Den Kontext muss man einsteuern, das lässt sich nicht mit Training kompensieren. Stimmt der Rahmen halbwegs, lassen sich Empathie und Interaktionskompetenz gut trainieren (besonders wenn Mitglieder einer Organisation unterschiedliche Trainingsgruppen besuchen. Soziale Distanz hilft). In gruppendynamischen Trainings geht es darum: durch Feedback die eigene Empathiefähigkeit zu steigern. Man erlebt im Training, wie Gruppen sich zur erforderlichen Kooperation anregen. Die Konfliktfähigkeit nimmt zu, man lernt Gruppen zu steuern.

Nicht intelligente Menschen machen Gruppen intelligent. Die notorisch unterschätzte Kraft guter Beziehungsgestaltung ist die Basis für Teamintelligenz.

DER LANGE SCHATTEN DES PATRIARCHATS

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Der feministische Normenwandel ist nicht aufzuhalten. Und: es gibt noch viel zu tun, bis wir in einer diskriminierungsfreieren, gerechteren Arbeitswelt und Gesellschaft angekommen sind.

Wenn wir heute gruppendynamisch mit Führungskräften arbeiten, sind entschieden patriarchal eingestellte Personen schon in der Minderzahl. Was mir gleichwohl laufend begegnet, sind stereotype Verhaltensweisen in Gruppen, die selbst diskriminierungssensiblen Menschen unterlaufen.

Ein dreitägiger Workshop für Führungskräfte in der Industrie. Die 16 Teilnehmenden bilden zwei Gruppen. Jede Gruppe bekommt eine Teamaufgabe und begrenzt Zeit, um sie zu bearbeiten. Wenn die zwei Teilgruppen die Arbeit aufnehmen, filmen wir die erste Session, um sie gruppendynamisch zu analysieren. In „meiner“ Gruppe hatten zwei Frauen vom Start weg das Ruder in der Hand und führten ihr Team informell. Später stellte sich heraus, dass sie zu zweit im Auto angereist waren und so einen Vorsprung an Vertrautheit hatten. Die Gruppe bestand aus 4 männlich und 4 weiblich gelesenen Menschen. Die Männer waren zu Beginn klar subordiniert und konnten sich gegen das Frauenbündnis nicht durchsetzen. Als die zwei Frauen eine Einzelarbeit instruierten, wendete sich das Blatt. Alle schrieben ihre Ideen still auf Kärtchen. Dann präsentierten sie ihre Karten und hängten sie an eine Pinwand. Es begannen die Männer, in epischer Breite stellten sie ihre Ideen vor. Als die ersten Frauen dran waren, sah man sie ihre Karten sortieren. Einzelne Kärtchen steckten sie weg mit den Worten, das sei ja so ähnlich wie vom Vorredner… Alle versicherten, sich kurz fassen zu wollen, weil die Zeit schon knapp sei. Sie nahmen sich auch deutlich weniger Raum als die männlichen Kollegen. Ich hab die Redezeiten gestoppt: M:F = 2:1.

Während die Männer mit Dominanz versuchten, Boden im mikropolitischen Spiel der Gruppe gutzumachen, und an individueller Sichtbarkeit gewannen, waren die Frauen dem großen Ganzen verpflichtet. Zwei von ihnen steuerten, solange es dran war und alle nahmen sich zurück, als es für die Gruppe zeitlich eng wurde.

Selbst in sozial kompetenten Gruppen schimmern die patriarchalen Strukturen und Stereotypien immer wieder durch. Deshalb ist es so wichtig, die eigene Wahrnehmungsfähigkeit dafür laufend zu stärken.

Eine fantastische Gelegenheit dazu bietet am 07.02.2025 der Fachtag „Der lange Schatten des Patriarchats“ zur Organisationsdynamik in Beratungsprozessen, zu dem die DGGO und die DGSv gemeinsam einladen. Den Fachtag haben Manuela Wittig, Caroline J.M. Hein und ich vorbereitet. Die einführenden Impulse geben uns Adriana Burgstaller und Robert Franken. Es wird viele Workshops zum praxisnahen Austausch geben.

👉 Am besten gleich anmelden:
https://lnkd.in/dPRVMU6G

👉 DGGO-Mitglieder und externe Personen melden sich gerne via E-Mail an: veranstaltungen@dgsv.de

7. WANN WIRD´S IM TEAM SINNVOLLERWEISE PERSÖNLICH?

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Einige Lehren aus der Praxis gruppendynamischer Organisationsberatung.

7. WANN WIRD´S IM TEAM SINNVOLLERWEISE PERSÖNLICH?
 
Vorab: Persönlich zu werden, bedeutet nicht, einander Privates zu erzählen. Das geht in der Arbeit niemanden etwas an. Persönlich zu werden, bedeutet, wo es nötig ist, die eigenen Interessen zu verdeutlichen. Ich bin persönlich, wenn ich Menschen schildere, wie ihre Handlungen auf mich wirken, was ich will und was nicht. Persönlich ist, wer konfliktbereit ist und mit sich reden lässt. Mehr ist erstmal nicht nötig, um mit Gruppendynamik im Team sinnvoll umzugehen.
 
Teams produzieren immer Gruppendynamik in den Arbeitsbeziehungen. Die spannende Frage ist, wie viel Aufmerksamkeit das in einem Team erfordert. Das heisst: Wie persönlich muss ein Team fallweise werden, um seine Aufgaben zu bewältigen? Wieviel oder wie wenig persönlicher Austausch ist anzuraten?

Ich würde sagen: So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Menschen sind grundsätzlich vor einem zu umfassenden Zugriff der Organisation auf ihre Person zu schützen.
 
Andererseits gibt es durchaus organisationale Erfordernisse in Teams, die im Team vorübergehend oder regelmäßig mehr persönlichen Austausch nahelegen:
 
1) Abhängig von der Aufgabe
- Wenn die Person das Arbeits-Instrument ist, z. B. in psychosozialen Berufen. (Beziehungsarbeit)
- Bei einigen kreativen Gruppenaufgaben. (Wer kann was gut?)
- Wenn das Team sehr autonom ist, also z. B. selbst seine Aufgaben, Ziele und Wege bestimmen soll. (Konfliktpotential)
- …
 
2) Abhängig vom organisationalen Kontext:
- In Veränderungsprozessen (wer will was?)
- Bei mehrfachen Team-Zugehörigkeiten (Loyalitätskonflikte)
- Unter lateraler Führung in Selbstorganisation (viele Verhandlungsthemen)
- Wenn es schwer zu regelnde Konflikte gibt („gute Luft“ trotz struktureller Konflikte)
- Solange das Team neue Mitarbeitende integrieren soll. (Organisationskultur)
- …
 
3) Abhängig vom Grad der persönlichen „Betroffenheit“:
- Existentielle Themen (Arbeitsplatz/Einkommen, Sinn)
- Grundbedürfnisse sind berührt (Sicherheit, Entwicklung, Vertrauen, Autonomie…)
- …
 
-> Wie wird es sinnvoller Weise persönlich?
Mit Feedback. Gerne knapp, pointiert. Bedarfsweise moderiert. In einem Setting, das Z u h ö r e n fördert. Zu vermeiden sind die drei Grundfehler des Feedbacks in Organisationen (Schattenhofer):
Anonymisierung. Der Geber bleibt unbekannt. Keine Dialogmöglichkeit.
Informalisierung. Feedback hat keinen formalen Raum. Im Flurfunk bekommt man das Feedback dann gleich mehrfach bis zur Beschämung, statt 1x im Team und gut.
Intimisierung. Feedback betrifft die Person quasi „als Mensch“ unabhängig von der Aufgabe.

Wann muss eine Führungskraft persönlich werden?
Wenn sie das Gefühl hat, es ist dran.
Woher weiß sie das?
Aus ihrer Erfahrung mit Gruppen.

Das kann man trainieren:
https://diegruppendynamiker.de/termine/
Linkedin.com/company/diegruppendynamiker
https://www.dggo.de

6. WIR BEGRÜßEN WIDERSTÄNDE

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Einige Lehren aus der Praxis gruppendynamischer Organisationsberatung.

In Veränderungsprozessen kommen wir regelmäßig an den Punkt, wo es Widerstand aus dem System gibt. Einzelne Gruppen oder Personen verweigern sich, widersprechen lautstark oder leisten passiven Widerstand, indem sie weitermachen, als wäre nichts Neues geplant. Diese Momente sind wertvoll. Kippen Sie da kein Schlangenöl vom Motivations-Coach drüber. Diese Momente zeigen, dass das System wirklich beginnt, seine Strukturen probehalber zu lockern, den „Unfreeze“ zu wagen, was man an den Gegenkräften erkennt. Ohne einen gewissen Veränderungsschmerz ist das nicht zu haben.

Ein kleines Unternehmen wächst und die Leitung wünscht sich eine mittlere Führungsebene, die sie entlastet. Kaum ist der Plan veröffentlicht, heisst es in der Belegschaft: „Bislang ging es doch auch ohne.“ „Was das kostet.“ „Wir sollten einfach nicht mehr wachsen.“ „Wir brauchen im Team keinen Chef.“ „Was sollen die denn genau tun?“ Und das alles hat seinen wahren Kern. Neue Führungskräfte wirbeln Staub auf. Sie müssen sich erst in ihren Rollen finden. Es wird zu Fehlern kommen. Die Leitung und alle anderen werden erstmal zusätzliche Arbeit damit haben, sich umzustellen.

Es kostet Organisationen eine Menge Energie, Ihre Struktur aufrecht zu erhalten. Zusätzliche Energie kostet es, sie zu verändern. Wo sich die tägliche Arbeit des Strukturaufbaus der Entropie entgegenstemmt, ist Veränderung eine zusätzliche Last. Jede Veränderung muss es Wert sein, diesen Preis zu zahlen. Aber selbst gut begründete Veränderungen sind kein Selbstläufer. Es wäre seltsam und realitätsfremd, wenn alle Gruppen im System den Change rundweg begrüßen würden. Die Ambivalenz im Prozess ist unser bester Indikator dafür, dass wir es mit der Realität und nicht bloß mir unseren Wünschen zu tun haben. Nur wenn es Für und Wider gibt, Lust und Angst, bin ich noch nicht in mythisches Wunschdenken abgeglitten.

Widerstände in der Organisationsentwicklung helfen uns:
* die Ängste im Unternehmen kennenzulernen.
* wirksame Normen im Unternehmen kennenzulernen.
* das angemessene Tempo zu finden.
* die richtigen Personen mitzunehmen und andere evtl. gehen zu lassen.
* zu verstehen, was angesehen und bewahrenswert ist in der Organisation.
* den Preis der Veränderung richtig einzuschätzen.
* Konflikte zu entdecken und die Konfliktfähigkeit in der Organisation zu erhöhen.

Das letzte ist vielleicht das Wichtigste: an jedem Widerstand werden Bedürfnisse und Interessen sichtbar, die integriert gehören. Gelingt das halbwegs, wird die neue Struktur vielleicht noch robuster sein als die alte es war. Und flexibler: denn nun ist bekannt, dass Veränderung gelingen kann, ohne die strukturelle Integrität zu überdehnen.

Ein federnder, konstruktiver Umgang mit Widerstand lässt sich trainieren:
https://lnkd.in/dZuNM_eV

5. WENN ZIELE KEIN BEDÜRFNIS SIND

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Einige Lehren aus der Praxis gruppendynamischer Organisationsberatung.

5. WENN ZIELE KEIN BEDÜRFNIS SIND

Wer immer zielstrebig mehr erreichen will, bringt sich womöglich um das, was sich von selbst einstellt. Es geht mir selbst deshalb meistens nicht um Ziele, sondern um Bedürfnisse. Ich kenne kein Bedürfnis nach Zielen. Es gibt für mich den Wunsch nach verbesserter Bedürfnisbefriedigung, nach der Fähigkeit dazu. Wer hat, dem wird gegeben. Wer immer strebend sich bemüht und „noch nicht“ hat, dem wird genommen: Ruhe, Zeit, Mut, Glück.

Es gibt die breit verbürgte Erfahrung, dass ein Ziel Menschen Kraft schenkt (z. B. im Sport) und sie sogar am Leben hält (vgl. Victor Frankl). Aber das bewirkt nicht das Ziel. Das bewirkt sein Sinn, den es für die Person hat. Es muss uns etwas angehen. Es muss uns ein Bedürfnis sein. Und das kann man nicht anstreben.

Wenn Aufträge in der Organisationsentwicklung nicht direkt von der Geschäftsleitung kommen, schicken die manchmal die Kommunikationsabteilung vor. Eine Schwierigkeit in der Organisation („Konflikte“, „Widerstand“...) wird als Marketingproblem verstanden. Und da ist, bei aller Hilflosigkeit, was dran. Die Leitung ahnt, dass die Mitarbeitenden andere Bedürfnisse haben müssten, um mit den Zielen der Leitung einverstanden zu sein. Und wer kennt sich mit dem Einpflanzen von Bedürfnissen aus? Marketing.

Tatsächlich sind solche Versuche, die Bedürfnisse der Belegschaft zielgerecht zuzurichten, zum Scheitern verurteilt. Der goldene Weg, die Valenzen der Menschen zu beeinflussen (neben Geld, Status und anderen notorisch knappen Bestechungsmitteln), besteht darin, sie in Gruppen ihre Arbeitswelt erkunden zu lassen. Sie müssen selbst miteinander etwas finden, was sinnvoll genug ist, es in aller Ambivalenz erstrebenswert zu finden. So erarbeiten sie sich einen realistischen Umgang mit Bedürfnissen, die in der Arbeit befriedigt werden können. Und lernen kennen, was vielleicht nicht zu den Ansprüchen der Organisation passt. Dieser Weg ist eher langwierig, nicht frustrationsfrei, relativ unwägbar und nicht sehr zielstrebig. Aber er nimmt die Menschen, und was ihnen wichtig ist, ernst. Er verändert, wenn es glückt, das Normengefüge in der Organisation. Das geht nicht ohne gemeinsame neue soziale Erfahrungen. Ein sinnvolles Ziel ist diese funktionale Form der Kooperation.

Hilfreich ist, die FORM der Kommunikation beschreiben zu können, die den Aufgaben der Organisation entspricht (systemischer Realkonstruktivismus, https://lnkd.in/dXiEK3R7), und sich mit den Menschen Schritt für Schritt auf den Weg der Veränderung zu machen. Diese Prozesse begleiten Gruppendynamiker*innen mit der nötigen Klarheit und Einfühlung.

Beides kann man übrigens lernen:
www.dggo.de
https://lnkd.in/dFwXAks7
https://lnkd.in/dKsSqVmc

4. MACHT IN GRUPPEN IST IM FLUSS.

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Einige Lehren aus der Praxis gruppendynamischer Organisationsberatung.

4. MACHT IN GRUPPEN IST IM FLUSS.
Wie Fische im Wasser, so schwimmen wir in Gruppen in der Macht: Sie fällt uns meist kaum auf, aber wir spüren sie spätestens dann, wenn wir gegen den Strom schwimmen wollen. Gruppen sind eher fähig, etwas zu erreichen, wenn die richtigen Gruppenmitglieder im richtigen Moment Macht zugebilligt bekommen.

Es gibt drei Hauptgründe, weshalb Gruppen nie ganz aufhören können, Macht neu zu verteilen.
1) Die Umstände oder Aufgaben ändern sich und es wird notwendig, sich anders zu verhalten.
2) Neuankömmlinge kennen die Gepflogenheiten noch nicht, bringen aber eigene, abweichende Erfahrungen und Konventionen mit.
3) Gruppenmitglieder, die schon länger dabei sind überraschen irgendwann mit unkonventionellen Ideen. Dazu müssen sich die Anderen dann verhalten.

Die Not, die Neuen und die Erfindungskraft der Menschen locken den Fluss der Macht über die Ufer. Jedes Mal, wenn Menschen ihre Verhaltens-Erwartungen aufeinander abstimmen, befestigen Sie ein Stück vom Ufer. Jedes Mal wenn sie diese abgestimmten Erwartungen ändern, ändert sich der Flusslauf ein wenig.

Das Flussbett: Norm und Konvention
In Deutschland isst man mit Teller und Besteck. Das ist allgemein so, trotzdem gilt diese Konvention für bestimmte Menschen in bestimmten Situationen. Im Hochgebirge werden Bergsteiger ihre Brotzeit weniger förmlich vespern. Damit die Konvention gilt, muss ich wissen, auf welche Personenkategorien und welche Situationstypen sich das erwartete Verhalten bezieht (vgl. Heinrich Popitz). Abweichungen und Fehler bei solchen Konventionen werden von der Gruppenöffentlichkeit in der Regel milde beurteilt.

Es gibt Situationen, in denen eine Abweichung von dieser Konvention zu harscheren Reaktionen führt. Wer bei einem Staatsbankett mit den Fingern isst, wird des Saales verwiesen. Diesmal gilt die Konvention „Du sollst mit Messer und Gabel essen“ als Norm und wird mit Sanktionen geschützt.

Konventionen entspannen das Zusammenleben. Sie befreien von der Last, ständig zu entscheiden, „was soll ich tun?“. Normen bleiben dagegen immer ein spannendes Thema, weil sie Grenzfälle des Verhaltens mit Sanktionen ausschliessen.

Konventionen und Normen nehmen Menschen Macht ab, schützen sie aber auch vor Willkür. Indem Normen verbindlich sind, schaffen sie zwischenmenschliche Bindungen. Sie geben dem Fluss der Macht Raum zum Fliessen und schliessen alle anderen Räume aus. Zusammen mit sozialen Rollen sind Normen ein Baumaterial, das erstaunlich komplexen Flussläufen in Gesellschaft und Organisationen eine Form geben kann.

Wer Organisationen transformieren will, muss verstehen, wie Gruppen den Flusslauf der Macht sukzessive ändern. Wo entstehen vielleicht Überflutungsflächen, Nebenläufe, Deiche? Was trauen wir dem Fluss zu? Und wann bekommen wir Angst und rufen nach Strategie und Baggern?

Mut lässt sich trainieren:
https://lnkd.in/dZuNM_eV

3. WIR GEHEN SCHRITT FÜR SCHRITT VOR

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Einige Lehren aus der Praxis gruppendynamischer Organisationsberatung.

3. WIR GEHEN SCHRITT FÜR SCHRITT VOR
Wenn wir Gruppendynamiker*innen ein Unternehmen kennengelernt und es von zwei Voraussetzungen überzeugt haben (wir arbeiten nie allein, wir fördern die Selbst-Diagnose, Links dazu im Kommentar), dann kann es losgehen. Schön sorgfältig und langsam.

Ich unterscheide drei Aspekte in der Gestaltung meiner Kundenbeziehungen: Verstehen, Beraten und Befähigen. Je intensiver und akribischer wir uns mit den Gruppen, mit denen wir arbeiten, beim Verstehen aufhalten, desto leichter fallen beraten und befähigen. Sehr oft werden wir dafür dann schon nicht mehr viel gebraucht, weil die Sache klar ist. Es ist klar, was zu tun ist und wer dafür noch was lernen, trainieren sollte.

Ein erster Schritt könnte zum Beispiel sein, mit einer Gruppe in der Organisation etwas Neues zu versuchen, von der typische Widerstände zu erwarten sind. Widerstände: weil es da etwas zu erfahren gibt über die Organisation. Typisch: weil wir so der Kultur auf die Spur kommen, die das soziale System reproduziert. Oft sind flankierende Interventionen zu wichtigen Rahmenbedingungen hilfreich. Was auch immer. Den Change wird eins machen: dass sich die Gruppen, auf die es ankommt - machtvolle, identifizierte Gruppen - selbst auf die Spur kommen. Wer sich selbst erkannt hat, hat sich schon verändert. Es gibt kein Zurück hinter Selbsterkenntnis.

D. H. unsere „Strategie“ zielt auf kein letztes Ziel, eher auf eine Schrittfolge, einen Tanz (realkonstruktivistisch:ein rhythmisiertes Muster, Gitta Peyn). Unsere Frage ist weniger, über welche Milestones kommen wir mit den Gruppen zur Vision? Unsere Frage ist, müssen wir hier und jetzt mal von Walzer zu Samba wechseln, damit sich z. B. etwas lockert oder setzt? Dafür braucht es aktuelle diagnostische Einsichten. Natürlich auch Zahlen Daten Fakten, aber vor allem Kulturelles. Alles Andere erklären BWL, IT, Steuerberatung und Jurist*innen. Es ist eine Kulturfrage, wie eine Organisation die „harten“ Fakten nutzt.

So tänzeln wir weiter im System: einen Schritt wagen, schauen, wo wir stehen, den nächsten wagen. Größere Sicherheit ist mE in OE nicht zu erwarten. Alles hängt an der Präzision der Diagnosen, die den ganzen Prozess begleiten.

Ich würde zunächst davon ausgehen, dass die Leitung grob eine Idee hat, wo sie hinwill. Ich kenne mittelständische Unternehmen, die sagen zB, wir müssen soundso viel wachsen, sonst werden wir geschluckt. Das wollen sie jetzt nicht. Meistens reicht es schon, zu wissen, von wo man weg oder wo man sicher nicht hin will. Strategien braucht es im Krieg. Aber der Markt ist kein Schlachtfeld, Führungskräfte sind keine Feldwebel. Ihr „Sieg“ sind gute Produkte, die die Menschen wirklich brauchen können. Würde mir persönlich jedenfalls reichen. Höhere Ziele hab ich nur in den Bergen. ;-)

FORCIERTE „MÄNNLICHKEIT“

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FORCIERTE „MÄNNLICHKEIT“ ALS VERHALTENSKITSCH

Kitschig finde ich Darstellungen, die ein e i n z i g e s Gefühl zu Tode reiten. Zum Beispiel das Gefühl des Erhabenen beim Betrachten eines Sonnenuntergangs. Als Fototapete klebt das Gefühl an der Wand, bis man die doofe Zumutung irgendwann einfach übersieht oder ironisiert. Das hilft nicht immer.

„Im Jahr 2022 starben in Deutschland insgesamt 10119 Menschen durch Suizid – das waren fast 28 Personen pro Tag. Männer nahmen sich deutlich häufiger das Leben als Frauen, rund 75 % der Selbsttötungen wurden von Männern begangen.“ (Destasis: https://lnkd.in/dmK4fphg)

Männer schweigen aus Stolz, wenn sie um Hilfe bitten sollten. Stolz zu sein darauf, alles ertragen zu können, niemanden zu brauchen: hält dieses Gefühl Jahre an, kann Kitsch töten.
Natürlich ist es komplizierter. Auch deprimierte „echte Kerle“ fühlen nicht ständig nur Stolz. Aber besonders viele Gefühle werden Männern gesellschaftlich nicht nahegelegt: vor allem Wut, Geilheit und eben Stolz. Den zugehörigen Kitsch kennen wir von Pegida-Demos, Porno-Industrie und allen Arten an Männerbünden.

„A man's gotta do what a man's gotta do.“ Täglich raubt irgendsoein tautologischer Grabspruch 21 Männern in D den Lebensmut. Der männliche Verhaltenskitsch übertüncht rigide Normen. Er ist das schlichte Gemüt im sozialen Gehäuse unserer Verhaltenserwartungen. Stolz & Ehre. Würden mehr Männer diese Kitschtapeten von der Wand reissen, könnten wir das soziale Gehäuse studieren, in dem ihr Verhalten für die Front zugerichtet wird. Und es gemeinsam peu à peu ein bisschen menschlicher umbauen. Mindestens mit Farbtöpfen und Pinseln für den Ausdruck bunt wechselnder Gefühlslagen und einer Tür für tragende Beziehungen. Ein Bankerl vorm Fenster für den Polit-Streit mit der Nachbarschaft wäre als Norm auch sehr gut und friedlich.

Ich weiß nicht, warum Männer depressiv werden, auch da mag „toxische Männlichkeit“ einwirken. Aber ich weiß, manche lehnen Hilfe habituell ab, um ihr Selbstbild als Mann zu schützen. Sie brauchen Menschen, die ihnen eine Brücke zur Hilfe bauen. Nicht nur der Männer wegen sollten möglichst viele einen Erste-Hilfe-Kurs für seelische Gesundheit besuchen. Die gibt es hier: https://lnkd.in/dJnHkAFw

Kitschfrei differenziertes Denken und Fühlen bereichern Arbeit, Gesellschaft und Persönlichkeit. Wie groß Dein Resonanzraum ist, findest Du bei Gitta Peyn heraus. Wie kannst Du Komplexität erkunden? Probier´s aus: https://lnkd.in/dESqHVxk

Ich empfehle heute mal drei Wege, um toxischen Verhaltenskitsch abzulegen:
- Fühlen und sagen, was gerade ist
- Sich helfen lassen und helfen
- Seiner Neugier auf Komplexität folgen.
Lernen von den Besten: Kinder können das alles noch. Ältere lernen es wieder im gruppendynamischen Training: https://dggo.de

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