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Systemischer Realkonstruktivismus 2/2

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Die neu zu entdeckende Kunst der Kybernetik: Systemischer Realkonstruktivismus 2/2

Wir Gruppendynamiker sind es gewohnt, mit leicht operationalisierbaren mehrdimensionalen Modellen im Kopf, unser Herz zu befragen: was ist in dieser Gruppe los? Da nutzen wir den gruppendynamischen Raum, die Autoritätsmuster, das Pendelmodell von Integration und Differenzierung - und bald vielleicht auch die Ur-Formen der Kommunikation von Gitta und Ralf Peyn.
Reflexive Systeme sind unser täglich Brot, wenn man so will. Dass Selbststeuerung in Gruppen und Teams auch formlogisch voraussetzungsvoll ist, kann man vom systemischen Realkonstruktivismus lernen. Die Peyns ordnen ihre 64 Reinformen der Systembildung in der Kommunikation 3 Stufen der Musterbildung zu:
Monotone Formen kommen mit schwacher Komplexität aus, hier schlägt beispielsweise der „Sgt. Drillmaster“ die Trommel und die Arbeitenden gehorchen.
In rhythmisierten Systemen geht es unübersichtlicher zu. Hier sind Konflikte zu erwarten und höhere Anteile an Kreativität, die unter Umständen helfen, die Konflikte zu beruhigen.
In co-kreativen Systemen ist es lebendig. Hier ist den Alters und Egos die Kompetenz der Anderen bekannt. Nur die co-kreativen Varianten der systemischen Formlogik (es sind sechs) sind dazu in der Lage, das System im System zu thematisieren.
In die Klasse der sich monoton aufbauenden Kommunikationssysteme gehören zum Beispiel unsere abhängigen Gruppen. „Rhythmisiert“ sind unter anderen gegenabhängige Gruppen, die zur Bildung von Silos/Untergruppen neigen. Und die tapferen co-kreativen sind natürlich hoch differenzierte, gut integrierte interdependente Gruppen, die sich selbst durch Reflexion zu steuern gelernt haben.
Besonders schön an den „Selfis“ genannten Pixelbildern der Formen ist der Farbcode: man kann genau erfassen, wie umfänglich markierte, leere, unbestimmte und (ja!) imaginäre Positionen vertreten sind. Ralf Peyn ist es geglückt, Unbestimmtes und Imaginäres im Kalkül operationalisierbar zu machen. Man sieht auf einen Blick, wieviel indeterminiertes Potential, wieviel Freiheit ein System prozessieren kann. Auch das ist einfach großartig.
Und dann wäre da noch Gittas Stufenmodell der Komplexitäts-Fähigkeiten psychischer und sozialer Systeme. Das sollten alle, die mit Gruppen arbeiten für ihre Interventionsentscheidungen zu nutzen wissen. Weil es nichts bringt, angemessen schlau zu intervenieren, wenn das die Kapazität des Systems überfordert. Haben wir doch alle schon erlebt.
Am Ende der zwei Tage war ich geistig wieder zuhause angekommen. Ein gutes Zeichen für die Anschlussfähigkeit des systemischen Realkonstruktivismus. War viel. Ich muss das jetzt erst noch alles verarbeiten. Aber die Aussicht, in der Gruppendynamik vielleicht naturwissenschaftlich belastbare Aussagen treffen zu können, hätte Kurt Lewin sowas von gefallen. Und mir gefällt sie auch. Vielen Dank für die tausend Anregungen, liebe Gitta und lieber Ralf!

Systemischer Realkonstruktivismus 1/2

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Die neu zu entdeckende Kunst der Kybernetik: Systemischer Realkonstruktivismus 1/2

Auf dem Heimweg von zwei Tagen Intensiv-Kurs mit Gitta und Ralf Peyn, den sympathischen Erfindern des Systemischen Realkonstruktivismus. Ein paar frische Eindrücke. Was heisst Real-Konstruktivismus? Ich verstehe die Theorie inzwischen besser und Sie bestimmt auch gleich ein bisschen. Ein Appetizer. Mehr nicht.
Ich gehe im ersten Teil darauf ein, was beratende Menschen davon haben, sich mit der Peynschen Theorie zu befassen. Im zweiten Teil blicke ich kurz als Gruppendynamiker auf diese unique Denkwelt.
Die Peyns heben von einem Boden breit akzeptierter Standards aus ab. Kommunikation verstehen sie als System, das sich aus seiner Umwelt bestimmte Ereignisse herausgreift um sie für Kommunikationsaufbau zwischen Menschen zu nutzen. Die Ereignisse: Meinen, Mitteilen und Verstehen. So weit so Luhmann. (Bei dem heißt das Meinen noch Information). Im Prinzip ist das ein Standard in der Sprachwissenschaft seit Karl Bühler. Wo Menschen miteinander sprachlich in Kontakt gehen, erfolgt das dreidimensional: Ich (Ausdruck oder Mitteilung) will (Appell oder erwartetes Verstehen) etwas (Dargestelltes oder Gemeintes).
Die Peyns verlassen die Luhmannsche Orthodoxie und vertrauen sich der Kybernetik an, wenn sie inspiriert durch George Spencer-Brown mathematisch berechnen, wie ein Kommunikationssystem sich an den Umweltereignissen, die Alter und Ego beisteuern, nach eigenen Entscheidungs-Regeln in eigenen Formen aufbaut.
Hier liegt die Pointe: es mag eine empirisch unendliche Vielfalt in den Kommunikationssystemen geben. Sie alle lassen sich allerdings auf exakt 64 mathematisch berechenbare „Formtypen“ beziehen, die die möglichen Ego-Alter-Beziehungen von Meinen, Mitteilen und Verstehen umfassen. Wenn das Cassirer noch hätte erleben dürfen, dass ein Ralf Peyn sprachlich codierte Systeme mathematisch erfasst und berechenbar macht! Großes Kino für Kenner des Idealismus (das hört Gitta als Positivistin jetzt nicht so gern, es stimmt aber ;-)
Jetzt wird es praktisch: die Idealtypen können Beratende mit etwas Übung perfekt nutzen, um Teams, Abteilungen, Organisationen oder auch ihre Partnerschaft zu diagnostizieren. Das geht ganz intuitiv, weil die Peyns zu den Grundformen der Kommunikation durch ein bildgebendes Verfahren Pixelbilder erzeugen, die den Kommunikationsprozess im zeitlichen Verlauf zeigen: die App malt die gewünschte Formlogik vierfarbig auf den Bildschirm. Sehen, interpretieren, staunen. Ja, das macht Spaß, weil es das persönlich erlebte Kommunikationsgeschehen bis zur Kenntlichkeit hinreichend verfremdet.
Formlogik ist nichts für Systemiker, die ruckzuck was aus der Toolbox zücken wollen. Es ist was für die Gründlichen, die Muße, Neugier und allerhand Denkvermögen mitbringen.
Warum diese faszinierende Theorie noch so wenig nachgefragt wird, wissen die Götter (vermutlich die an den Unis, keine Ahnung)…

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