Organisationsdynamik
DER LANGE SCHATTEN DES PATRIARCHATS
26/08/24 18:45
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Der feministische Normenwandel ist nicht aufzuhalten. Und: es gibt noch viel zu tun, bis wir in einer diskriminierungsfreieren, gerechteren Arbeitswelt und Gesellschaft angekommen sind.
Wenn wir heute gruppendynamisch mit Führungskräften arbeiten, sind entschieden patriarchal eingestellte Personen schon in der Minderzahl. Was mir gleichwohl laufend begegnet, sind stereotype Verhaltensweisen in Gruppen, die selbst diskriminierungssensiblen Menschen unterlaufen.
Ein dreitägiger Workshop für Führungskräfte in der Industrie. Die 16 Teilnehmenden bilden zwei Gruppen. Jede Gruppe bekommt eine Teamaufgabe und begrenzt Zeit, um sie zu bearbeiten. Wenn die zwei Teilgruppen die Arbeit aufnehmen, filmen wir die erste Session, um sie gruppendynamisch zu analysieren. In „meiner“ Gruppe hatten zwei Frauen vom Start weg das Ruder in der Hand und führten ihr Team informell. Später stellte sich heraus, dass sie zu zweit im Auto angereist waren und so einen Vorsprung an Vertrautheit hatten. Die Gruppe bestand aus 4 männlich und 4 weiblich gelesenen Menschen. Die Männer waren zu Beginn klar subordiniert und konnten sich gegen das Frauenbündnis nicht durchsetzen. Als die zwei Frauen eine Einzelarbeit instruierten, wendete sich das Blatt. Alle schrieben ihre Ideen still auf Kärtchen. Dann präsentierten sie ihre Karten und hängten sie an eine Pinwand. Es begannen die Männer, in epischer Breite stellten sie ihre Ideen vor. Als die ersten Frauen dran waren, sah man sie ihre Karten sortieren. Einzelne Kärtchen steckten sie weg mit den Worten, das sei ja so ähnlich wie vom Vorredner… Alle versicherten, sich kurz fassen zu wollen, weil die Zeit schon knapp sei. Sie nahmen sich auch deutlich weniger Raum als die männlichen Kollegen. Ich hab die Redezeiten gestoppt: M:F = 2:1.
Während die Männer mit Dominanz versuchten, Boden im mikropolitischen Spiel der Gruppe gutzumachen, und an individueller Sichtbarkeit gewannen, waren die Frauen dem großen Ganzen verpflichtet. Zwei von ihnen steuerten, solange es dran war und alle nahmen sich zurück, als es für die Gruppe zeitlich eng wurde.
Selbst in sozial kompetenten Gruppen schimmern die patriarchalen Strukturen und Stereotypien immer wieder durch. Deshalb ist es so wichtig, die eigene Wahrnehmungsfähigkeit dafür laufend zu stärken.
Eine fantastische Gelegenheit dazu bietet am 07.02.2025 der Fachtag „Der lange Schatten des Patriarchats“ zur Organisationsdynamik in Beratungsprozessen, zu dem die DGGO und die DGSv gemeinsam einladen. Den Fachtag haben Manuela Wittig, Caroline J.M. Hein und ich vorbereitet. Die einführenden Impulse geben uns Adriana Burgstaller und Robert Franken. Es wird viele Workshops zum praxisnahen Austausch geben.
👉 Am besten gleich anmelden:
https://lnkd.in/dPRVMU6G
👉 DGGO-Mitglieder und externe Personen melden sich gerne via E-Mail an: veranstaltungen@dgsv.de
Der feministische Normenwandel ist nicht aufzuhalten. Und: es gibt noch viel zu tun, bis wir in einer diskriminierungsfreieren, gerechteren Arbeitswelt und Gesellschaft angekommen sind.
Wenn wir heute gruppendynamisch mit Führungskräften arbeiten, sind entschieden patriarchal eingestellte Personen schon in der Minderzahl. Was mir gleichwohl laufend begegnet, sind stereotype Verhaltensweisen in Gruppen, die selbst diskriminierungssensiblen Menschen unterlaufen.
Ein dreitägiger Workshop für Führungskräfte in der Industrie. Die 16 Teilnehmenden bilden zwei Gruppen. Jede Gruppe bekommt eine Teamaufgabe und begrenzt Zeit, um sie zu bearbeiten. Wenn die zwei Teilgruppen die Arbeit aufnehmen, filmen wir die erste Session, um sie gruppendynamisch zu analysieren. In „meiner“ Gruppe hatten zwei Frauen vom Start weg das Ruder in der Hand und führten ihr Team informell. Später stellte sich heraus, dass sie zu zweit im Auto angereist waren und so einen Vorsprung an Vertrautheit hatten. Die Gruppe bestand aus 4 männlich und 4 weiblich gelesenen Menschen. Die Männer waren zu Beginn klar subordiniert und konnten sich gegen das Frauenbündnis nicht durchsetzen. Als die zwei Frauen eine Einzelarbeit instruierten, wendete sich das Blatt. Alle schrieben ihre Ideen still auf Kärtchen. Dann präsentierten sie ihre Karten und hängten sie an eine Pinwand. Es begannen die Männer, in epischer Breite stellten sie ihre Ideen vor. Als die ersten Frauen dran waren, sah man sie ihre Karten sortieren. Einzelne Kärtchen steckten sie weg mit den Worten, das sei ja so ähnlich wie vom Vorredner… Alle versicherten, sich kurz fassen zu wollen, weil die Zeit schon knapp sei. Sie nahmen sich auch deutlich weniger Raum als die männlichen Kollegen. Ich hab die Redezeiten gestoppt: M:F = 2:1.
Während die Männer mit Dominanz versuchten, Boden im mikropolitischen Spiel der Gruppe gutzumachen, und an individueller Sichtbarkeit gewannen, waren die Frauen dem großen Ganzen verpflichtet. Zwei von ihnen steuerten, solange es dran war und alle nahmen sich zurück, als es für die Gruppe zeitlich eng wurde.
Selbst in sozial kompetenten Gruppen schimmern die patriarchalen Strukturen und Stereotypien immer wieder durch. Deshalb ist es so wichtig, die eigene Wahrnehmungsfähigkeit dafür laufend zu stärken.
Eine fantastische Gelegenheit dazu bietet am 07.02.2025 der Fachtag „Der lange Schatten des Patriarchats“ zur Organisationsdynamik in Beratungsprozessen, zu dem die DGGO und die DGSv gemeinsam einladen. Den Fachtag haben Manuela Wittig, Caroline J.M. Hein und ich vorbereitet. Die einführenden Impulse geben uns Adriana Burgstaller und Robert Franken. Es wird viele Workshops zum praxisnahen Austausch geben.
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6. WIR BEGRÜßEN WIDERSTÄNDE
18/06/24 08:08
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Einige Lehren aus der Praxis gruppendynamischer Organisationsberatung.
In Veränderungsprozessen kommen wir regelmäßig an den Punkt, wo es Widerstand aus dem System gibt. Einzelne Gruppen oder Personen verweigern sich, widersprechen lautstark oder leisten passiven Widerstand, indem sie weitermachen, als wäre nichts Neues geplant. Diese Momente sind wertvoll. Kippen Sie da kein Schlangenöl vom Motivations-Coach drüber. Diese Momente zeigen, dass das System wirklich beginnt, seine Strukturen probehalber zu lockern, den „Unfreeze“ zu wagen, was man an den Gegenkräften erkennt. Ohne einen gewissen Veränderungsschmerz ist das nicht zu haben.
Ein kleines Unternehmen wächst und die Leitung wünscht sich eine mittlere Führungsebene, die sie entlastet. Kaum ist der Plan veröffentlicht, heisst es in der Belegschaft: „Bislang ging es doch auch ohne.“ „Was das kostet.“ „Wir sollten einfach nicht mehr wachsen.“ „Wir brauchen im Team keinen Chef.“ „Was sollen die denn genau tun?“ Und das alles hat seinen wahren Kern. Neue Führungskräfte wirbeln Staub auf. Sie müssen sich erst in ihren Rollen finden. Es wird zu Fehlern kommen. Die Leitung und alle anderen werden erstmal zusätzliche Arbeit damit haben, sich umzustellen.
Es kostet Organisationen eine Menge Energie, Ihre Struktur aufrecht zu erhalten. Zusätzliche Energie kostet es, sie zu verändern. Wo sich die tägliche Arbeit des Strukturaufbaus der Entropie entgegenstemmt, ist Veränderung eine zusätzliche Last. Jede Veränderung muss es Wert sein, diesen Preis zu zahlen. Aber selbst gut begründete Veränderungen sind kein Selbstläufer. Es wäre seltsam und realitätsfremd, wenn alle Gruppen im System den Change rundweg begrüßen würden. Die Ambivalenz im Prozess ist unser bester Indikator dafür, dass wir es mit der Realität und nicht bloß mir unseren Wünschen zu tun haben. Nur wenn es Für und Wider gibt, Lust und Angst, bin ich noch nicht in mythisches Wunschdenken abgeglitten.
Widerstände in der Organisationsentwicklung helfen uns:
* die Ängste im Unternehmen kennenzulernen.
* wirksame Normen im Unternehmen kennenzulernen.
* das angemessene Tempo zu finden.
* die richtigen Personen mitzunehmen und andere evtl. gehen zu lassen.
* zu verstehen, was angesehen und bewahrenswert ist in der Organisation.
* den Preis der Veränderung richtig einzuschätzen.
* Konflikte zu entdecken und die Konfliktfähigkeit in der Organisation zu erhöhen.
Das letzte ist vielleicht das Wichtigste: an jedem Widerstand werden Bedürfnisse und Interessen sichtbar, die integriert gehören. Gelingt das halbwegs, wird die neue Struktur vielleicht noch robuster sein als die alte es war. Und flexibler: denn nun ist bekannt, dass Veränderung gelingen kann, ohne die strukturelle Integrität zu überdehnen.
Ein federnder, konstruktiver Umgang mit Widerstand lässt sich trainieren:
https://lnkd.in/dZuNM_eV
Einige Lehren aus der Praxis gruppendynamischer Organisationsberatung.
In Veränderungsprozessen kommen wir regelmäßig an den Punkt, wo es Widerstand aus dem System gibt. Einzelne Gruppen oder Personen verweigern sich, widersprechen lautstark oder leisten passiven Widerstand, indem sie weitermachen, als wäre nichts Neues geplant. Diese Momente sind wertvoll. Kippen Sie da kein Schlangenöl vom Motivations-Coach drüber. Diese Momente zeigen, dass das System wirklich beginnt, seine Strukturen probehalber zu lockern, den „Unfreeze“ zu wagen, was man an den Gegenkräften erkennt. Ohne einen gewissen Veränderungsschmerz ist das nicht zu haben.
Ein kleines Unternehmen wächst und die Leitung wünscht sich eine mittlere Führungsebene, die sie entlastet. Kaum ist der Plan veröffentlicht, heisst es in der Belegschaft: „Bislang ging es doch auch ohne.“ „Was das kostet.“ „Wir sollten einfach nicht mehr wachsen.“ „Wir brauchen im Team keinen Chef.“ „Was sollen die denn genau tun?“ Und das alles hat seinen wahren Kern. Neue Führungskräfte wirbeln Staub auf. Sie müssen sich erst in ihren Rollen finden. Es wird zu Fehlern kommen. Die Leitung und alle anderen werden erstmal zusätzliche Arbeit damit haben, sich umzustellen.
Es kostet Organisationen eine Menge Energie, Ihre Struktur aufrecht zu erhalten. Zusätzliche Energie kostet es, sie zu verändern. Wo sich die tägliche Arbeit des Strukturaufbaus der Entropie entgegenstemmt, ist Veränderung eine zusätzliche Last. Jede Veränderung muss es Wert sein, diesen Preis zu zahlen. Aber selbst gut begründete Veränderungen sind kein Selbstläufer. Es wäre seltsam und realitätsfremd, wenn alle Gruppen im System den Change rundweg begrüßen würden. Die Ambivalenz im Prozess ist unser bester Indikator dafür, dass wir es mit der Realität und nicht bloß mir unseren Wünschen zu tun haben. Nur wenn es Für und Wider gibt, Lust und Angst, bin ich noch nicht in mythisches Wunschdenken abgeglitten.
Widerstände in der Organisationsentwicklung helfen uns:
* die Ängste im Unternehmen kennenzulernen.
* wirksame Normen im Unternehmen kennenzulernen.
* das angemessene Tempo zu finden.
* die richtigen Personen mitzunehmen und andere evtl. gehen zu lassen.
* zu verstehen, was angesehen und bewahrenswert ist in der Organisation.
* den Preis der Veränderung richtig einzuschätzen.
* Konflikte zu entdecken und die Konfliktfähigkeit in der Organisation zu erhöhen.
Das letzte ist vielleicht das Wichtigste: an jedem Widerstand werden Bedürfnisse und Interessen sichtbar, die integriert gehören. Gelingt das halbwegs, wird die neue Struktur vielleicht noch robuster sein als die alte es war. Und flexibler: denn nun ist bekannt, dass Veränderung gelingen kann, ohne die strukturelle Integrität zu überdehnen.
Ein federnder, konstruktiver Umgang mit Widerstand lässt sich trainieren:
https://lnkd.in/dZuNM_eV
5. WENN ZIELE KEIN BEDÜRFNIS SIND
23/03/24 20:04
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Einige Lehren aus der Praxis gruppendynamischer Organisationsberatung.
5. WENN ZIELE KEIN BEDÜRFNIS SIND
Wer immer zielstrebig mehr erreichen will, bringt sich womöglich um das, was sich von selbst einstellt. Es geht mir selbst deshalb meistens nicht um Ziele, sondern um Bedürfnisse. Ich kenne kein Bedürfnis nach Zielen. Es gibt für mich den Wunsch nach verbesserter Bedürfnisbefriedigung, nach der Fähigkeit dazu. Wer hat, dem wird gegeben. Wer immer strebend sich bemüht und „noch nicht“ hat, dem wird genommen: Ruhe, Zeit, Mut, Glück.
Es gibt die breit verbürgte Erfahrung, dass ein Ziel Menschen Kraft schenkt (z. B. im Sport) und sie sogar am Leben hält (vgl. Victor Frankl). Aber das bewirkt nicht das Ziel. Das bewirkt sein Sinn, den es für die Person hat. Es muss uns etwas angehen. Es muss uns ein Bedürfnis sein. Und das kann man nicht anstreben.
Wenn Aufträge in der Organisationsentwicklung nicht direkt von der Geschäftsleitung kommen, schicken die manchmal die Kommunikationsabteilung vor. Eine Schwierigkeit in der Organisation („Konflikte“, „Widerstand“...) wird als Marketingproblem verstanden. Und da ist, bei aller Hilflosigkeit, was dran. Die Leitung ahnt, dass die Mitarbeitenden andere Bedürfnisse haben müssten, um mit den Zielen der Leitung einverstanden zu sein. Und wer kennt sich mit dem Einpflanzen von Bedürfnissen aus? Marketing.
Tatsächlich sind solche Versuche, die Bedürfnisse der Belegschaft zielgerecht zuzurichten, zum Scheitern verurteilt. Der goldene Weg, die Valenzen der Menschen zu beeinflussen (neben Geld, Status und anderen notorisch knappen Bestechungsmitteln), besteht darin, sie in Gruppen ihre Arbeitswelt erkunden zu lassen. Sie müssen selbst miteinander etwas finden, was sinnvoll genug ist, es in aller Ambivalenz erstrebenswert zu finden. So erarbeiten sie sich einen realistischen Umgang mit Bedürfnissen, die in der Arbeit befriedigt werden können. Und lernen kennen, was vielleicht nicht zu den Ansprüchen der Organisation passt. Dieser Weg ist eher langwierig, nicht frustrationsfrei, relativ unwägbar und nicht sehr zielstrebig. Aber er nimmt die Menschen, und was ihnen wichtig ist, ernst. Er verändert, wenn es glückt, das Normengefüge in der Organisation. Das geht nicht ohne gemeinsame neue soziale Erfahrungen. Ein sinnvolles Ziel ist diese funktionale Form der Kooperation.
Hilfreich ist, die FORM der Kommunikation beschreiben zu können, die den Aufgaben der Organisation entspricht (systemischer Realkonstruktivismus, https://lnkd.in/dXiEK3R7), und sich mit den Menschen Schritt für Schritt auf den Weg der Veränderung zu machen. Diese Prozesse begleiten Gruppendynamiker*innen mit der nötigen Klarheit und Einfühlung.
Beides kann man übrigens lernen:
www.dggo.de
https://lnkd.in/dFwXAks7
https://lnkd.in/dKsSqVmc
Einige Lehren aus der Praxis gruppendynamischer Organisationsberatung.
5. WENN ZIELE KEIN BEDÜRFNIS SIND
Wer immer zielstrebig mehr erreichen will, bringt sich womöglich um das, was sich von selbst einstellt. Es geht mir selbst deshalb meistens nicht um Ziele, sondern um Bedürfnisse. Ich kenne kein Bedürfnis nach Zielen. Es gibt für mich den Wunsch nach verbesserter Bedürfnisbefriedigung, nach der Fähigkeit dazu. Wer hat, dem wird gegeben. Wer immer strebend sich bemüht und „noch nicht“ hat, dem wird genommen: Ruhe, Zeit, Mut, Glück.
Es gibt die breit verbürgte Erfahrung, dass ein Ziel Menschen Kraft schenkt (z. B. im Sport) und sie sogar am Leben hält (vgl. Victor Frankl). Aber das bewirkt nicht das Ziel. Das bewirkt sein Sinn, den es für die Person hat. Es muss uns etwas angehen. Es muss uns ein Bedürfnis sein. Und das kann man nicht anstreben.
Wenn Aufträge in der Organisationsentwicklung nicht direkt von der Geschäftsleitung kommen, schicken die manchmal die Kommunikationsabteilung vor. Eine Schwierigkeit in der Organisation („Konflikte“, „Widerstand“...) wird als Marketingproblem verstanden. Und da ist, bei aller Hilflosigkeit, was dran. Die Leitung ahnt, dass die Mitarbeitenden andere Bedürfnisse haben müssten, um mit den Zielen der Leitung einverstanden zu sein. Und wer kennt sich mit dem Einpflanzen von Bedürfnissen aus? Marketing.
Tatsächlich sind solche Versuche, die Bedürfnisse der Belegschaft zielgerecht zuzurichten, zum Scheitern verurteilt. Der goldene Weg, die Valenzen der Menschen zu beeinflussen (neben Geld, Status und anderen notorisch knappen Bestechungsmitteln), besteht darin, sie in Gruppen ihre Arbeitswelt erkunden zu lassen. Sie müssen selbst miteinander etwas finden, was sinnvoll genug ist, es in aller Ambivalenz erstrebenswert zu finden. So erarbeiten sie sich einen realistischen Umgang mit Bedürfnissen, die in der Arbeit befriedigt werden können. Und lernen kennen, was vielleicht nicht zu den Ansprüchen der Organisation passt. Dieser Weg ist eher langwierig, nicht frustrationsfrei, relativ unwägbar und nicht sehr zielstrebig. Aber er nimmt die Menschen, und was ihnen wichtig ist, ernst. Er verändert, wenn es glückt, das Normengefüge in der Organisation. Das geht nicht ohne gemeinsame neue soziale Erfahrungen. Ein sinnvolles Ziel ist diese funktionale Form der Kooperation.
Hilfreich ist, die FORM der Kommunikation beschreiben zu können, die den Aufgaben der Organisation entspricht (systemischer Realkonstruktivismus, https://lnkd.in/dXiEK3R7), und sich mit den Menschen Schritt für Schritt auf den Weg der Veränderung zu machen. Diese Prozesse begleiten Gruppendynamiker*innen mit der nötigen Klarheit und Einfühlung.
Beides kann man übrigens lernen:
www.dggo.de
https://lnkd.in/dFwXAks7
https://lnkd.in/dKsSqVmc
4. MACHT IN GRUPPEN IST IM FLUSS.
14/03/24 19:52
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Einige Lehren aus der Praxis gruppendynamischer Organisationsberatung.
4. MACHT IN GRUPPEN IST IM FLUSS.
Wie Fische im Wasser, so schwimmen wir in Gruppen in der Macht: Sie fällt uns meist kaum auf, aber wir spüren sie spätestens dann, wenn wir gegen den Strom schwimmen wollen. Gruppen sind eher fähig, etwas zu erreichen, wenn die richtigen Gruppenmitglieder im richtigen Moment Macht zugebilligt bekommen.
Es gibt drei Hauptgründe, weshalb Gruppen nie ganz aufhören können, Macht neu zu verteilen.
1) Die Umstände oder Aufgaben ändern sich und es wird notwendig, sich anders zu verhalten.
2) Neuankömmlinge kennen die Gepflogenheiten noch nicht, bringen aber eigene, abweichende Erfahrungen und Konventionen mit.
3) Gruppenmitglieder, die schon länger dabei sind überraschen irgendwann mit unkonventionellen Ideen. Dazu müssen sich die Anderen dann verhalten.
Die Not, die Neuen und die Erfindungskraft der Menschen locken den Fluss der Macht über die Ufer. Jedes Mal, wenn Menschen ihre Verhaltens-Erwartungen aufeinander abstimmen, befestigen Sie ein Stück vom Ufer. Jedes Mal wenn sie diese abgestimmten Erwartungen ändern, ändert sich der Flusslauf ein wenig.
Das Flussbett: Norm und Konvention
In Deutschland isst man mit Teller und Besteck. Das ist allgemein so, trotzdem gilt diese Konvention für bestimmte Menschen in bestimmten Situationen. Im Hochgebirge werden Bergsteiger ihre Brotzeit weniger förmlich vespern. Damit die Konvention gilt, muss ich wissen, auf welche Personenkategorien und welche Situationstypen sich das erwartete Verhalten bezieht (vgl. Heinrich Popitz). Abweichungen und Fehler bei solchen Konventionen werden von der Gruppenöffentlichkeit in der Regel milde beurteilt.
Es gibt Situationen, in denen eine Abweichung von dieser Konvention zu harscheren Reaktionen führt. Wer bei einem Staatsbankett mit den Fingern isst, wird des Saales verwiesen. Diesmal gilt die Konvention „Du sollst mit Messer und Gabel essen“ als Norm und wird mit Sanktionen geschützt.
Konventionen entspannen das Zusammenleben. Sie befreien von der Last, ständig zu entscheiden, „was soll ich tun?“. Normen bleiben dagegen immer ein spannendes Thema, weil sie Grenzfälle des Verhaltens mit Sanktionen ausschliessen.
Konventionen und Normen nehmen Menschen Macht ab, schützen sie aber auch vor Willkür. Indem Normen verbindlich sind, schaffen sie zwischenmenschliche Bindungen. Sie geben dem Fluss der Macht Raum zum Fliessen und schliessen alle anderen Räume aus. Zusammen mit sozialen Rollen sind Normen ein Baumaterial, das erstaunlich komplexen Flussläufen in Gesellschaft und Organisationen eine Form geben kann.
Wer Organisationen transformieren will, muss verstehen, wie Gruppen den Flusslauf der Macht sukzessive ändern. Wo entstehen vielleicht Überflutungsflächen, Nebenläufe, Deiche? Was trauen wir dem Fluss zu? Und wann bekommen wir Angst und rufen nach Strategie und Baggern?
Mut lässt sich trainieren:
https://lnkd.in/dZuNM_eV
Einige Lehren aus der Praxis gruppendynamischer Organisationsberatung.
4. MACHT IN GRUPPEN IST IM FLUSS.
Wie Fische im Wasser, so schwimmen wir in Gruppen in der Macht: Sie fällt uns meist kaum auf, aber wir spüren sie spätestens dann, wenn wir gegen den Strom schwimmen wollen. Gruppen sind eher fähig, etwas zu erreichen, wenn die richtigen Gruppenmitglieder im richtigen Moment Macht zugebilligt bekommen.
Es gibt drei Hauptgründe, weshalb Gruppen nie ganz aufhören können, Macht neu zu verteilen.
1) Die Umstände oder Aufgaben ändern sich und es wird notwendig, sich anders zu verhalten.
2) Neuankömmlinge kennen die Gepflogenheiten noch nicht, bringen aber eigene, abweichende Erfahrungen und Konventionen mit.
3) Gruppenmitglieder, die schon länger dabei sind überraschen irgendwann mit unkonventionellen Ideen. Dazu müssen sich die Anderen dann verhalten.
Die Not, die Neuen und die Erfindungskraft der Menschen locken den Fluss der Macht über die Ufer. Jedes Mal, wenn Menschen ihre Verhaltens-Erwartungen aufeinander abstimmen, befestigen Sie ein Stück vom Ufer. Jedes Mal wenn sie diese abgestimmten Erwartungen ändern, ändert sich der Flusslauf ein wenig.
Das Flussbett: Norm und Konvention
In Deutschland isst man mit Teller und Besteck. Das ist allgemein so, trotzdem gilt diese Konvention für bestimmte Menschen in bestimmten Situationen. Im Hochgebirge werden Bergsteiger ihre Brotzeit weniger förmlich vespern. Damit die Konvention gilt, muss ich wissen, auf welche Personenkategorien und welche Situationstypen sich das erwartete Verhalten bezieht (vgl. Heinrich Popitz). Abweichungen und Fehler bei solchen Konventionen werden von der Gruppenöffentlichkeit in der Regel milde beurteilt.
Es gibt Situationen, in denen eine Abweichung von dieser Konvention zu harscheren Reaktionen führt. Wer bei einem Staatsbankett mit den Fingern isst, wird des Saales verwiesen. Diesmal gilt die Konvention „Du sollst mit Messer und Gabel essen“ als Norm und wird mit Sanktionen geschützt.
Konventionen entspannen das Zusammenleben. Sie befreien von der Last, ständig zu entscheiden, „was soll ich tun?“. Normen bleiben dagegen immer ein spannendes Thema, weil sie Grenzfälle des Verhaltens mit Sanktionen ausschliessen.
Konventionen und Normen nehmen Menschen Macht ab, schützen sie aber auch vor Willkür. Indem Normen verbindlich sind, schaffen sie zwischenmenschliche Bindungen. Sie geben dem Fluss der Macht Raum zum Fliessen und schliessen alle anderen Räume aus. Zusammen mit sozialen Rollen sind Normen ein Baumaterial, das erstaunlich komplexen Flussläufen in Gesellschaft und Organisationen eine Form geben kann.
Wer Organisationen transformieren will, muss verstehen, wie Gruppen den Flusslauf der Macht sukzessive ändern. Wo entstehen vielleicht Überflutungsflächen, Nebenläufe, Deiche? Was trauen wir dem Fluss zu? Und wann bekommen wir Angst und rufen nach Strategie und Baggern?
Mut lässt sich trainieren:
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3. WIR GEHEN SCHRITT FÜR SCHRITT VOR
19/02/24 15:49
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Einige Lehren aus der Praxis gruppendynamischer Organisationsberatung.
3. WIR GEHEN SCHRITT FÜR SCHRITT VOR
Wenn wir Gruppendynamiker*innen ein Unternehmen kennengelernt und es von zwei Voraussetzungen überzeugt haben (wir arbeiten nie allein, wir fördern die Selbst-Diagnose, Links dazu im Kommentar), dann kann es losgehen. Schön sorgfältig und langsam.
Ich unterscheide drei Aspekte in der Gestaltung meiner Kundenbeziehungen: Verstehen, Beraten und Befähigen. Je intensiver und akribischer wir uns mit den Gruppen, mit denen wir arbeiten, beim Verstehen aufhalten, desto leichter fallen beraten und befähigen. Sehr oft werden wir dafür dann schon nicht mehr viel gebraucht, weil die Sache klar ist. Es ist klar, was zu tun ist und wer dafür noch was lernen, trainieren sollte.
Ein erster Schritt könnte zum Beispiel sein, mit einer Gruppe in der Organisation etwas Neues zu versuchen, von der typische Widerstände zu erwarten sind. Widerstände: weil es da etwas zu erfahren gibt über die Organisation. Typisch: weil wir so der Kultur auf die Spur kommen, die das soziale System reproduziert. Oft sind flankierende Interventionen zu wichtigen Rahmenbedingungen hilfreich. Was auch immer. Den Change wird eins machen: dass sich die Gruppen, auf die es ankommt - machtvolle, identifizierte Gruppen - selbst auf die Spur kommen. Wer sich selbst erkannt hat, hat sich schon verändert. Es gibt kein Zurück hinter Selbsterkenntnis.
D. H. unsere „Strategie“ zielt auf kein letztes Ziel, eher auf eine Schrittfolge, einen Tanz (realkonstruktivistisch:ein rhythmisiertes Muster, Gitta Peyn). Unsere Frage ist weniger, über welche Milestones kommen wir mit den Gruppen zur Vision? Unsere Frage ist, müssen wir hier und jetzt mal von Walzer zu Samba wechseln, damit sich z. B. etwas lockert oder setzt? Dafür braucht es aktuelle diagnostische Einsichten. Natürlich auch Zahlen Daten Fakten, aber vor allem Kulturelles. Alles Andere erklären BWL, IT, Steuerberatung und Jurist*innen. Es ist eine Kulturfrage, wie eine Organisation die „harten“ Fakten nutzt.
So tänzeln wir weiter im System: einen Schritt wagen, schauen, wo wir stehen, den nächsten wagen. Größere Sicherheit ist mE in OE nicht zu erwarten. Alles hängt an der Präzision der Diagnosen, die den ganzen Prozess begleiten.
Ich würde zunächst davon ausgehen, dass die Leitung grob eine Idee hat, wo sie hinwill. Ich kenne mittelständische Unternehmen, die sagen zB, wir müssen soundso viel wachsen, sonst werden wir geschluckt. Das wollen sie jetzt nicht. Meistens reicht es schon, zu wissen, von wo man weg oder wo man sicher nicht hin will. Strategien braucht es im Krieg. Aber der Markt ist kein Schlachtfeld, Führungskräfte sind keine Feldwebel. Ihr „Sieg“ sind gute Produkte, die die Menschen wirklich brauchen können. Würde mir persönlich jedenfalls reichen. Höhere Ziele hab ich nur in den Bergen. ;-)
Einige Lehren aus der Praxis gruppendynamischer Organisationsberatung.
3. WIR GEHEN SCHRITT FÜR SCHRITT VOR
Wenn wir Gruppendynamiker*innen ein Unternehmen kennengelernt und es von zwei Voraussetzungen überzeugt haben (wir arbeiten nie allein, wir fördern die Selbst-Diagnose, Links dazu im Kommentar), dann kann es losgehen. Schön sorgfältig und langsam.
Ich unterscheide drei Aspekte in der Gestaltung meiner Kundenbeziehungen: Verstehen, Beraten und Befähigen. Je intensiver und akribischer wir uns mit den Gruppen, mit denen wir arbeiten, beim Verstehen aufhalten, desto leichter fallen beraten und befähigen. Sehr oft werden wir dafür dann schon nicht mehr viel gebraucht, weil die Sache klar ist. Es ist klar, was zu tun ist und wer dafür noch was lernen, trainieren sollte.
Ein erster Schritt könnte zum Beispiel sein, mit einer Gruppe in der Organisation etwas Neues zu versuchen, von der typische Widerstände zu erwarten sind. Widerstände: weil es da etwas zu erfahren gibt über die Organisation. Typisch: weil wir so der Kultur auf die Spur kommen, die das soziale System reproduziert. Oft sind flankierende Interventionen zu wichtigen Rahmenbedingungen hilfreich. Was auch immer. Den Change wird eins machen: dass sich die Gruppen, auf die es ankommt - machtvolle, identifizierte Gruppen - selbst auf die Spur kommen. Wer sich selbst erkannt hat, hat sich schon verändert. Es gibt kein Zurück hinter Selbsterkenntnis.
D. H. unsere „Strategie“ zielt auf kein letztes Ziel, eher auf eine Schrittfolge, einen Tanz (realkonstruktivistisch:ein rhythmisiertes Muster, Gitta Peyn). Unsere Frage ist weniger, über welche Milestones kommen wir mit den Gruppen zur Vision? Unsere Frage ist, müssen wir hier und jetzt mal von Walzer zu Samba wechseln, damit sich z. B. etwas lockert oder setzt? Dafür braucht es aktuelle diagnostische Einsichten. Natürlich auch Zahlen Daten Fakten, aber vor allem Kulturelles. Alles Andere erklären BWL, IT, Steuerberatung und Jurist*innen. Es ist eine Kulturfrage, wie eine Organisation die „harten“ Fakten nutzt.
So tänzeln wir weiter im System: einen Schritt wagen, schauen, wo wir stehen, den nächsten wagen. Größere Sicherheit ist mE in OE nicht zu erwarten. Alles hängt an der Präzision der Diagnosen, die den ganzen Prozess begleiten.
Ich würde zunächst davon ausgehen, dass die Leitung grob eine Idee hat, wo sie hinwill. Ich kenne mittelständische Unternehmen, die sagen zB, wir müssen soundso viel wachsen, sonst werden wir geschluckt. Das wollen sie jetzt nicht. Meistens reicht es schon, zu wissen, von wo man weg oder wo man sicher nicht hin will. Strategien braucht es im Krieg. Aber der Markt ist kein Schlachtfeld, Führungskräfte sind keine Feldwebel. Ihr „Sieg“ sind gute Produkte, die die Menschen wirklich brauchen können. Würde mir persönlich jedenfalls reichen. Höhere Ziele hab ich nur in den Bergen. ;-)
2. SELBST-DIAGNOSE
07/02/24 15:46
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Einige Lehren aus der Praxis gruppendynamischer Organisationsberatung.
2. SELBST-DIAGNOSE
Wer eine Organisation kennenlernt, lernt Gruppen in der Organisation kennen. Wenn es gut geht, lernen dabei diese Gruppen ihre Organisation ebenfalls neu kennen. Das ist ein analytischer oder diagnostischer Prozess. Ich bevorzuge den Ausdruck „Diagnose“, weil mir „Analyse“ zu steril klingt für das, was dabei vor sich geht. Um eine Organisation kennenzulernen, braucht es Kontakt. Ich muss auf Tuchfühlung gehen mit der Kultur, den Gewohnheiten, Normen und Tabus. Ich will sie im Vollkontakt erleben, mit beiden Beinen rein in das Humansystem, statt Analyse von KPIs und Excel-Files. Systemiker*innen, die sich bei dieser Perspektive schütteln, weil sie lieber am Spielfeldrand der Kommunikationssysteme ausharren und aus sicherem Abstand einen Blick hinein erhaschen möchten, bitte ich, noch etwas weiterzulesen. Gleich wird die Sache klarer.
Ich kann mir mit meinem Staff (ohne den geht es nicht: https://lnkd.in/d_9b3KFR) ein luzides Bild machen und eine unbestechliche Diagnose stellen. Es wird nicht viel helfen. Rückmeldungen von außen verarbeitet ein Humansystem so, wie es das eben gelernt hat, also reproduktiv, stabilisierend. Wenn ich will, dass ein paar Schrauben in der Kommunikation locker werden und etwas neu justiert werden kann, muss ich diese Muster stören. Und das geht am besten, wenn das Humansystem sich selbst verstört. Dafür sind wir Organisationsberater*innen da: Gemeinsam mit relevanten Gruppen Formate ins System einzuführen, die es diesen Gruppen erlauben, ihre Gewissheiten und Gewohnheiten zu erkennen, zu hinterfragen und testweise zu modifizieren. Diagnose ist Selbst-Diagnose des Humansystems. An dieser Stelle ist jeder Change auf die Menschen und ihre Beziehungen angewiesen. Und das heisst auf die Gruppen, an deren Kultur sie ihr Verhalten orientieren.
Psychologisieren in der OE-Diagnostik?
Wer Organisationen berät und die im Human-System diagnostizierten Phänomene schnurstracks von den Nöten mancher Individuen herleitet, muss sich von mir fragen lassen: hast Du abgeklärt, dass sich das vielleicht Irre, Seltsame an der Situation nicht überindividuell als Wirkung der Gruppen- und Organisationsdynamik plausibel machen lässt? Hast Du das Kommunikationssystem verstanden? (Vgl. Gitta Peyn, systemischer Realkonstruktivismus https://lnkd.in/dFwXAks7) Hat man das nicht zuerst ausgeschlossen, verfährt man so leichtfertig wie ein Psychotherapeut, der körperliche Symptome eines Patienten nicht somatisch abklären lässt. Das setzt natürlich voraus, dass man befähigt ist, überindividuelle Dynamiken zu erfassen.
Einige Lehren aus der Praxis gruppendynamischer Organisationsberatung.
2. SELBST-DIAGNOSE
Wer eine Organisation kennenlernt, lernt Gruppen in der Organisation kennen. Wenn es gut geht, lernen dabei diese Gruppen ihre Organisation ebenfalls neu kennen. Das ist ein analytischer oder diagnostischer Prozess. Ich bevorzuge den Ausdruck „Diagnose“, weil mir „Analyse“ zu steril klingt für das, was dabei vor sich geht. Um eine Organisation kennenzulernen, braucht es Kontakt. Ich muss auf Tuchfühlung gehen mit der Kultur, den Gewohnheiten, Normen und Tabus. Ich will sie im Vollkontakt erleben, mit beiden Beinen rein in das Humansystem, statt Analyse von KPIs und Excel-Files. Systemiker*innen, die sich bei dieser Perspektive schütteln, weil sie lieber am Spielfeldrand der Kommunikationssysteme ausharren und aus sicherem Abstand einen Blick hinein erhaschen möchten, bitte ich, noch etwas weiterzulesen. Gleich wird die Sache klarer.
Ich kann mir mit meinem Staff (ohne den geht es nicht: https://lnkd.in/d_9b3KFR) ein luzides Bild machen und eine unbestechliche Diagnose stellen. Es wird nicht viel helfen. Rückmeldungen von außen verarbeitet ein Humansystem so, wie es das eben gelernt hat, also reproduktiv, stabilisierend. Wenn ich will, dass ein paar Schrauben in der Kommunikation locker werden und etwas neu justiert werden kann, muss ich diese Muster stören. Und das geht am besten, wenn das Humansystem sich selbst verstört. Dafür sind wir Organisationsberater*innen da: Gemeinsam mit relevanten Gruppen Formate ins System einzuführen, die es diesen Gruppen erlauben, ihre Gewissheiten und Gewohnheiten zu erkennen, zu hinterfragen und testweise zu modifizieren. Diagnose ist Selbst-Diagnose des Humansystems. An dieser Stelle ist jeder Change auf die Menschen und ihre Beziehungen angewiesen. Und das heisst auf die Gruppen, an deren Kultur sie ihr Verhalten orientieren.
Psychologisieren in der OE-Diagnostik?
Wer Organisationen berät und die im Human-System diagnostizierten Phänomene schnurstracks von den Nöten mancher Individuen herleitet, muss sich von mir fragen lassen: hast Du abgeklärt, dass sich das vielleicht Irre, Seltsame an der Situation nicht überindividuell als Wirkung der Gruppen- und Organisationsdynamik plausibel machen lässt? Hast Du das Kommunikationssystem verstanden? (Vgl. Gitta Peyn, systemischer Realkonstruktivismus https://lnkd.in/dFwXAks7) Hat man das nicht zuerst ausgeschlossen, verfährt man so leichtfertig wie ein Psychotherapeut, der körperliche Symptome eines Patienten nicht somatisch abklären lässt. Das setzt natürlich voraus, dass man befähigt ist, überindividuelle Dynamiken zu erfassen.
1. WIR ARBEITEN NIE ALLEIN
04/01/24 12:30
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Einige Lehren aus der Praxis gruppendynamischer Organisationsberatung.
1. WIR ARBEITEN NIE ALLEIN
Organisationsdynamik nimmt dich mit. Der Kontakt mit der Organisationsdynamik ist deine diagnostische Chance als Berater*in und eine Verführung zur Unwirksamkeit, wenn dich das System „frisst“. Es ist nicht möglich, eine Organisation oder auch nur ihre Leitung zu beraten, ohne sich in die Kommunikationsformen (deren Logik lernt man empfehlenswerter Weise bei Gitta Peyn) und Beziehungsdynamiken der Organisationsteile wenigstens ansatzweise zu verstricken, mit denen man zu tun kriegt. In der Regel beginnt das schon in der Anbahnung und der Kontraktphase. Sobald das System zu ahnen beginnt, dass eine Veränderung geplant ist, bist du als beratender Mensch emotional und kommunikativ hoch ambivalent angedockt. Und zwar an etwas, das um ein Vielfaches größer, träger, mächtiger ist als Du. An etwas, das sich so klar überblicken lässt wie ein Containerschiff von einem Schlauchboot aus. Allein gewinnst du da nicht den erforderlichen Abstand zum Geschehen. Es braucht einen Berater*innen-Staff, eine Steuergruppe mit der Leitung und eine Intervision für den Staff. Wer sich für eine Organisationsberatung nicht von Anfang an möglichst viel Sicherheit durch gemeinsame Resonanz- und Reflexionsräume mit Anderen verschafft, ist entweder naiv oder größenwahnsinnig.
Empfehlungen:
- Im Staff sollten unterschiedliche Verfahren (Systemik, Realkonstruktivismus, Gruppendynamik, Gestalt, Psychoanalyse etc.) vertreten sein, um eine möglichst breite Hypothesen-Basis zu schaffen.
- Ein divers gemischter Staff ist ein besserer Staff. Frauen und Männer blicken unterschiedlich auf Situationen. Menschen mit Migrationshintergründen, Neurodiverse z. B. wieder anders…
- Im Staff sollten die thematischen Grenzen breit sein. Was im Staff nicht besprechbar ist, kann mit dem Klientensystem nicht reflektiert und gestaltet werden. Das erfordert Vertrauen in der Gruppe der Berater*innen. Sie müssen einander kennen(lernen).
- der Staff sollte auf Spiegelphänomene gefasst sein. Wenn der Staff beginnt, selbst die Organisationskultur der beratenen Gruppen zu leben, wird es erst richtig interessant. Das kann sich beispielsweise an deren Leistungsdruck, Verzweiflung, Minderwertigkeitsgefühl, Konkurrenz, deren unverbindlichem Umgang mit Verabredungen etc. zeigen. Dann kann das Berater*innen-System fühlen, denken und handeln wie die Klient*innen. Vorübergehend deren Konflikte agieren. Mehr oder weniger leidenschaftlich ihre Ängste und Hoffnungen teilen. Und sich durch gemeinsame Reflexion wieder davon lösen. Und neue Hypothesen gewinnen… So wird das was!👌
Gruppendynamiker*innen sagen, Systeme beraten Systeme. Deshalb arbeiten gruppendynamische Organisationsberater*innen nie allein (okay: seltenst und sehr sehr ungern…) und im Klientensystem fast nur mit Gruppen.
Einige Lehren aus der Praxis gruppendynamischer Organisationsberatung.
1. WIR ARBEITEN NIE ALLEIN
Organisationsdynamik nimmt dich mit. Der Kontakt mit der Organisationsdynamik ist deine diagnostische Chance als Berater*in und eine Verführung zur Unwirksamkeit, wenn dich das System „frisst“. Es ist nicht möglich, eine Organisation oder auch nur ihre Leitung zu beraten, ohne sich in die Kommunikationsformen (deren Logik lernt man empfehlenswerter Weise bei Gitta Peyn) und Beziehungsdynamiken der Organisationsteile wenigstens ansatzweise zu verstricken, mit denen man zu tun kriegt. In der Regel beginnt das schon in der Anbahnung und der Kontraktphase. Sobald das System zu ahnen beginnt, dass eine Veränderung geplant ist, bist du als beratender Mensch emotional und kommunikativ hoch ambivalent angedockt. Und zwar an etwas, das um ein Vielfaches größer, träger, mächtiger ist als Du. An etwas, das sich so klar überblicken lässt wie ein Containerschiff von einem Schlauchboot aus. Allein gewinnst du da nicht den erforderlichen Abstand zum Geschehen. Es braucht einen Berater*innen-Staff, eine Steuergruppe mit der Leitung und eine Intervision für den Staff. Wer sich für eine Organisationsberatung nicht von Anfang an möglichst viel Sicherheit durch gemeinsame Resonanz- und Reflexionsräume mit Anderen verschafft, ist entweder naiv oder größenwahnsinnig.
Empfehlungen:
- Im Staff sollten unterschiedliche Verfahren (Systemik, Realkonstruktivismus, Gruppendynamik, Gestalt, Psychoanalyse etc.) vertreten sein, um eine möglichst breite Hypothesen-Basis zu schaffen.
- Ein divers gemischter Staff ist ein besserer Staff. Frauen und Männer blicken unterschiedlich auf Situationen. Menschen mit Migrationshintergründen, Neurodiverse z. B. wieder anders…
- Im Staff sollten die thematischen Grenzen breit sein. Was im Staff nicht besprechbar ist, kann mit dem Klientensystem nicht reflektiert und gestaltet werden. Das erfordert Vertrauen in der Gruppe der Berater*innen. Sie müssen einander kennen(lernen).
- der Staff sollte auf Spiegelphänomene gefasst sein. Wenn der Staff beginnt, selbst die Organisationskultur der beratenen Gruppen zu leben, wird es erst richtig interessant. Das kann sich beispielsweise an deren Leistungsdruck, Verzweiflung, Minderwertigkeitsgefühl, Konkurrenz, deren unverbindlichem Umgang mit Verabredungen etc. zeigen. Dann kann das Berater*innen-System fühlen, denken und handeln wie die Klient*innen. Vorübergehend deren Konflikte agieren. Mehr oder weniger leidenschaftlich ihre Ängste und Hoffnungen teilen. Und sich durch gemeinsame Reflexion wieder davon lösen. Und neue Hypothesen gewinnen… So wird das was!👌
Gruppendynamiker*innen sagen, Systeme beraten Systeme. Deshalb arbeiten gruppendynamische Organisationsberater*innen nie allein (okay: seltenst und sehr sehr ungern…) und im Klientensystem fast nur mit Gruppen.
Lehrgang: Organisationen gruppendynamisch entwickeln
18/11/22 20:40
Ein TOPS Lehrgang mit neuem Konzept und bewährten Inhalten. Sie begleiten als Führungskraft oder beratend Veränderungen in Organisationen und wollen kennenlernen, wie ein gruppendynamischer Blick Sie in Changeprojekten unterstützt? Dann ist dieser Lehrgang "Organisationen gruppendynamisch entwickeln" eine gute Option für Sie. Er startet mit einem Orga-Lab im Juli 2023.
Ihre Vorteile:
Das Orga-Lab: 5 Tage Organisationsdynamik live
Selbst erleben und reflektieren statt nur über Vergangenes reden. Sie untersuchen mit der Gruppe im Hier und Jetzt, wie organisationsdynamische Prozesse gesteuert werden. Sie selbst sind aktiv mittendrin. Genau wie in Ihrem Unternehmen…
Hier geht´s zur Anmeldung:
In 4 Workshops: gruppendynamisches Know-how für Veränderungsprozesse
Die entscheidenden Themen im Change heissen für gruppendynamisch Versierte: Design, Intervention und Konflikte. Sie lernen eine gruppendynamische Brille für Organisationsdiagnosen kennen und erfahren, wie gruppendynamische Interventionen die unvermeidlichen Spannungen in Veränderungsprozessen fruchtbar machen.
Melden Sie sich an:
Voraussetzungen, die Sie mitbringen müssen:
Sie wollen noch mehr erfahren? Laden Sie sich den Flyer herunter oder rufen Sie mich an!
Lesetipp: Gisela Clausen, Mini-Handbuch Strategisches Projektmanagement. Veränderungsmaßnahmen bewältigen: traditionell und agil
Ihre Vorteile:
- kompakte Weiterbildung an 16 Tagen (1 Orga-Lab und 4 Workshops)
- Erforderlich für den Titel "Gruppendynamische/r Organisationsberater/in DGGO"
- Praxisnah: 4 Fallsupervisionstage und Intervisionen
Das Orga-Lab: 5 Tage Organisationsdynamik live
Selbst erleben und reflektieren statt nur über Vergangenes reden. Sie untersuchen mit der Gruppe im Hier und Jetzt, wie organisationsdynamische Prozesse gesteuert werden. Sie selbst sind aktiv mittendrin. Genau wie in Ihrem Unternehmen…
Hier geht´s zur Anmeldung:
In 4 Workshops: gruppendynamisches Know-how für Veränderungsprozesse
Die entscheidenden Themen im Change heissen für gruppendynamisch Versierte: Design, Intervention und Konflikte. Sie lernen eine gruppendynamische Brille für Organisationsdiagnosen kennen und erfahren, wie gruppendynamische Interventionen die unvermeidlichen Spannungen in Veränderungsprozessen fruchtbar machen.
Melden Sie sich an:
Voraussetzungen, die Sie mitbringen müssen:
- Sie haben bereits ein gruppendynamisches Training besucht.
- Das Konzept einer prozessorientierten Beratung ist Ihnen vertraut. Sie können eine dem Lehrgang „Leiten und Beraten von Gruppen und Teams“ vergleichbare Qualifikation nachweisen.
Sie wollen noch mehr erfahren? Laden Sie sich den Flyer herunter oder rufen Sie mich an!
Lesetipp: Gisela Clausen, Mini-Handbuch Strategisches Projektmanagement. Veränderungsmaßnahmen bewältigen: traditionell und agil
Dokumentierte TOPS Tage 2018
17/12/18 12:40
Jetzt gibt es die Workshops und Vorträge der TOPS Tage 2018 gesammelt in einem Heft: Sie können sich die komplette Dokumentation "Grenzverkehr. Zugänge und Ausschlüsse in Gruppen und Organisationen" als Ausgabe der Zeitschrift "supervision - Mensch Arbeit Organisation" bestellen:
https://www.psychosozial-verlag.de/catalog/product_info.php/products_id/8222
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