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Wer berät eigentlich die Kreativen?

Ich arbeite seit vielen Jahren mit Werbeagenturen aller Couleur zusammen. Von lediglich einer kann ich berichten, Sie hat sich tatsächlich beraten lassen. Nicht von den üblichen Agenturberatern, das sind normalerweise einfach branchenkundige Unternehmensberater. Sondern von einem Coach, der die Selbstreflexion der Führungsmannschaft anregte und anleitete. Das ist erstaunlich, wenn man die Werbebranche kennt und weiß, wie da so im Normalfall das Projektgeschäft ausgeübt wird.

In Agenturen überwiegt die Teamarbeit. Dabei treffen mindestens vier verschiedene Arbeitsrealitäten in jedem Team aufeinander: Kontakter, Gestalter, Texter und Betriebswirte. Es gibt noch andere Rollen, beispielsweise Reinzeichner, Bildredakteure, Werbelektoren oder Programmierer, die treten aber im Prozessgeschehen weniger bestimmend auf. Ich werfe ein kurzes Schlaglicht auf die genannten vier Agenturbewohner:

Der Kontakter ist ein Diplomat. Er kennt den Kunden und telefoniert mit ihm mehrmals täglich. Er ist oft der Einzige, der mit eigenen Ohren gehört hat, was der Kunde da draussen wünscht. Er holt Briefings ab, die er dann dem Projektteam weiterreicht und vorinterpretiert. Er ist der Anwalt der Kundeninteressen. Er ist auch der Anwalt der Agentur, ihrer Vorschläge und ihrer Preise. Ein widersprüchlicher Auftrag. Sein Ziel ist offenbar die Vermittlung: Ist der Kunde zufrieden, ist die Agentur zufrieden. Die Agentur? Nun jedenfalls der Schatzmeister der Agentur.

Der Schatzmeister hat häufig Betriebswirtschaft studiert. Oder er hat jedenfalls das betriebswirtschaftliche Interesse am Projekt im Auge. Beispielsweise weil er als Geschäftsführer angestellt ist, oder weil ihm die Agentur gehört. Er ist der Anwalt des Kontostandes. Die Zufriedenheit der Agentur und die Zufriedenheit des Kunden sind für ihn Mittel zum Zweck. Es sei denn der Schatzmeister ist auch noch der Künstler, dann wird es für ihn und die Agentur noch etwas komplizierter.

Die Künstler der Agentur interessieren sich für ein gutes Kommunikationsprodukt. Ein gutes Produkt ist in erster Linie ein kreatives, also eins, das der Künstler sich selbst ausgedacht hat. Der Kunde, der Diplomat, der Schatzmeister: Was verstehen die schon von Werbung und Design? Sie sind keine Kreativen und deshalb zum Schweigen verurteilt. Sie schweigen aber nicht. Der Künstler wird oft verkannt. Seine Entwürfe landen in der Schublade. Ästhetisch schwache Ideen setzen sich gegen starke durch. Dabei ist er der wahre Anwalt der Sache: Der Künstler arbeitet für eine schönere Welt der Werbung. Am liebsten vermutlich für eine mit großen Spiegeln.

Vor den Spiegeln steht der Künstler leider nie allein, immer drängt sich ein anderer Kreativer mit ins Bild: Der Texter. Er kann mit Worten umgehen. Was ihm den Arbeitsalltag schwer macht: Nur er kann es. Aber die anderen erkennen ihr Unvermögen im Normalfall nicht. Der Texter ist der Anwalt der deutschen Sprache, der klaren Botschaften und des Sachgehaltes der Werbung. Er will wirklich etwas kommunizieren. Lies: Nicht nur bunte Bilder verkaufen. Aber der Künstler sagt ihm: „Mach hier im Layout 600 Zeichen hin. Da fehlt noch eine Head, nein, eine etwas längere, das fliesst noch nicht so schön.“ Der Diplomat und der Schatzmeister wünschen sich nur, der Texter möge pünktlich liefern. Also in 30 Minuten. Der Texter ist der zweite Unverstandene, verurteilt zu ständiger Originalität, die nicht so weitherzig originell sein soll, dass sie nicht mehr zum Layout, zum Budget, zum beschränkten Kunden passt.

Ein kurzer Blick auf die der Prägnanz halber ziemlich holzgeschnitzten Kameraden genügt und es ist klar: Da ist erstmal kein Team zu sehen. Da ist jeder mit seiner Aufgabe, seinen Ansprüchen und Werten, mit seinen persönlichen Zielen bei der Arbeit allein. Ein verwirrendes Spektrum an Einzelinteressen und Einzelbegabungen. Und dabei kommt der Kunde im Bild noch nicht einmal explizit vor. Er ist aber die relevante Umwelt des Projektteams und von großer Bedeutung für die Dynamik der gemeinsamen Arbeit. Vor allem durch seine Art zu kommunizieren – im Erklären, Zustimmen, Ablehnen, Schweigen, Zahlen und Feilschen.

Mein Resümee lautet: Eigentlich müsste aus jedem gewonnenen Pitch eine Teamentwicklung folgen. Rollen gehören definiert, Prozesse bestimmt und Ziele festgeschrieben. Wer macht was? Wer macht wofür wie viel? Wann sind wir zufrieden? Wann ist es der Kunde? Die Teammitglieder kennen sich ja oft bereits aus anderen Projekten, aber wie sie zu dem neuen Projekt stehen, wissen sie voneinander deshalb noch nicht.
Warum nur ist das Format „Coaching“ oder „Supervision“ in der Werbebranche so wenig vertreten? Was denken Sie?

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